Latein und Liturgie

(…) Zusammenfassend lassen sich die Überlegungen zum Stellenwert des Lateinischen im heutigen Gottesdienst auf drei Momente verteilen:

1. Tradition: Das Anerkennen der Tradition ist nicht mit Traditionalismus oder einer unreflektierten Art der Vergangenheitsbetrachtung zu verwechseln. Die Überlieferungsgemeinschaft der Kirche hat auch ein liturgisches kollektives Gedächtnis, das geschichtstheologische und ekklesiologische Implikationen trägt. Die Entwicklung der westlichen Riten erfolgte in lateinischer Sprache, die auch in der erneuerten Liturgie die Primärsprache der Liturgiebücher ist. Ein traditionsbewußter Zugang drückt ekklesiologisch die Verbundenheit mit der Kirche aller Zeiten aus und bekräftigt den in der Liturgie bestehenden Glauben, mit „Kirche“ nicht ein räumlich und zeitlich („hier und heute“) eingeschränktes Konzept zu meinen, sondern der Verstorbenen zu gedenken und in den himmlischen Lobgesang einzustimmen.

2. Einheit: Der Einheitsbegriff ist für den Römischen Ritus aus gutem Grund nicht definitiv geklärt worden, aber er ist ein Regulativ bei der Evaluation von Zweifelsfällen. Der unbedingte Gebrauch der lateinischen Sprache ist mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil nicht als Merkmal der substantiellen Einheit erkannt worden, da sie auch bei Verwendung der Volkssprachen bestehen kann. Das heißt aber umgekehrt nicht, daß die lateinische Sprache rechtlich, systematisch und symbolisch kein zentrales Element der Einheit des Römischen Ritus ist, sofern man beipflichtet, daß Latein die Primärsprache bleibt und auch praktisch weitergeübt wird. Dies hat auch Konsequenzen für die volkssprachlichen Übersetzungen, die ihre Herkunft nicht kaschieren sollten. Die Einheit der Liturgie verwirklicht sich zudem in hierarchischen Abstufungen: Manche Teile wie die sakramentlichen Formeln und das Hochgebet werden als zentraler erachtet als andere Teile; zudem können die Bischofskonferenzen entweder außerhalb des Zentrums Eigentexte entwickeln oder Formulare rekognoszieren lassen, die der Struktur und Formulierung der römischen Liturgie entsprechen (z.B. neue Hochgebete). Außerdem gehört die Recognitio selbst zu den sichtbaren Elementen der Einheit, da hier auch formal bestätigt wird, daß römische Liturgie gefeiert wird.

3. Sakralität: Jede liturgische Sprache hat sich zu bemühen, den Gottesdienst als Bezugspunkt zu nehmen und ein Idiom zu entwickeln, das der Heiligkeit liturgischen Tuns angemessen ist. Heute zeichnet sich das Latein dadurch aus, daß es keine lebende Sprache ist, zumindest in bezug auf die Qualität als Muttersprache. Ebenso überliefert die lateinische Liturgie (zelebriert oder in volkssprachlicher Übersetzung) sperrige und im Alltag ungebräuchliche Formulierungen, fremdartige Bilder und Gedankengänge. Anstelle einer Glättung empfiehlt es sich, die Spannung auszuhalten, um auch in diesem Bereich Liturgie als Raum der religiösen Erfahrung der Alterität und Differenz wahrzunehmen. Diese Offenheit kann aber nicht bestehen, wenn im Gottesdienst der Primat der Erklärung gilt und Verständlichkeit für einen absoluten Wert gehalten wird. Die Sakralität liturgischer Sprache zeigt sich außerdem auch an der Intertextualität verschiedener liturgischer Texte zueinander und der Liturgie zur Bibel; der intermediäre Raum des Gottesdienstes ist eine eigene Wirklichkeit, die man betritt (vgl. die eindrucksvolle Formulierung im OR I: intrat in canonem). Die Sakralität liturgischer Sprache schützt daher zwei Dinge: das verbalisierte Netz liturgischer Querverweise und eine negativ-theologisch verstandene religiöse Erfahrung (Mysterium), die den Menschen ganzheitlich-existentiell („Gefühl“ im Sinne Schleiermachers) und nicht nur sprachlich-intellektuell erfaßt. Letzteres schließt Verständlichkeit generell nicht aus, sondern setzt es in Relation zum komplexen, multidimensionalen Gefüge der Liturgie und zeigt, daß Sprache nicht nur als Mittel der Kommunikation und Informationsverarbeitung anzusehen ist, sondern selbst schon an Ästhetik teilhat. Sowohl das Lateinische als Liturgiesprache als auch eine an der lateinischen Vorlage angelehnte Übersetzung oszillieren zwischen Verständlichkeit und Ästhetik. (…)

Aus Predrag Bukovec, Latein und Liturgie – Zum Systematischen Stellenwert der Lateinischen Sakralsprache, in Hans-Jürgen Feulner, Andreas Bieringer, Benjamin Leven (Hgg.) – Erbe und Erneuerung – Die Liturgiekonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils und ihre Folgen.

Nuova Musica per la Liturgia Eucaristica

Sabato 19 ottobre 2019 -Ore 17:00
Sala Locatelli Via Arena, 9 Bergamo (città alta)
TAVOLA ROTONDA
a cura di: Cristian Gentilini e Andrea Talmelli

Quale liturgia per quale musica?
Relatore: don Gilberto Sessantini (Priore della Basilica di S. M. Maggiore in Bergamo)

Scrivere musica e scrivere per la liturgia
Relatore: Pippo Molino (Compositore)

Il ruolo del Maestro di Cappella ai giorni nostri
Relatore: Roberto Brisotto (Direttore della Cappella Civica della Cattedrale di Trieste)

Unum loquuntur omnia: la percezione della Forma
Relatore: Umberto Bombardelli (Compositore)

Link

The Musical Shape of the Liturgy

The reforms of the liturgy resulting from the Second Vatican Council have greatly increased the freedom of choice of liturgical music; the council also encouraged the composition of new music for the sacred liturgy. However, every freedom entails a corresponding responsibility; and it does not seem that, in the years since the council, the responsibility for the choice of sacred music has been exercised with equal wisdom in all circles. To judge by what is normally heard in the churches, one might even conclude that the Church no longer holds any standards in the realm of sacred music, and that, in fact, anything goes.
The council did not leave all up in the air, however, and if its Constitution on the Sacred Liturgy had been seriously heeded, a living tradition would still be alive everywhere, and we would have added musical works of some permanence to the “store of treasures” of sacred music. The council laid down some rather specific norms which can serve as a basis for developing an understanding of sacred music and thus for choosing wisely.
In its chapter on sacred music, the council declared that the solemn sung form of the liturgy is the higher form, that of all the arts music represents the greatest store of traditional treasures of the liturgy, that music is the more holy insofar as it is intimately connected to the liturgical action, and that Gregorian chant is the normative music of the Roman rite. Moreover, in speaking of innovations in general, it required that new forms derive organically from existing ones.

From Sacred Music 102, no. 3 (1975), reprinted in The Musical Shape of the Liturgy by William Peter Mahrt (2012)